nachdenken über die re:publica 12 – eine Woche daNach

Gerade wollte ich mir die Termine für die re:publica 13 in mein iCal schreiben – um Klarheit zu haben fürs kommende Jahr. Aber offenbar gibt es noch keine exakten Daten. Dann halte ich mir mal den gesamten Mai frei. Ich bin nämlich konvertiert: Ich war re:publica-Skeptiker, der aus der Distanz dachte, das sei nur was für Freaks. Ich wurde zum Novizen. Ich werde in Zukunft ein ‚Stammgast‘ sein – und andere mitbringen.

re:publica - Alle waren begeistert vom neuen Ort

Also, bereits vor einer Woche ist im Deutschlandfunk bei „Corso. Kultur nach drei“ mein Beitrag gelaufen mit Eindrücken von der re:publica. Er ist hier zu lesen und zu hören.

Vorsicht, Freaks, das ist eher ein Stück, das die re:publica „unseren Müttern“ (Beckedahl) und den „30 Mio. Nicht-Netz-Menschen“ erklärt. Also, bitte nicht schimpfen. Sogar das böse N-Wort ist mir da rein geraten.

Wenn der Beitrag mal aus urheberrechtlichen Gründen verschwunden sein sollte, sollte er hier zu finden sein.

Die gläsernen Künstler – Eindrücke von der Internetkonferenz re_publica in Berlin

Jetzt beame ich mich noch mal zurück. Womöglich will kein Mensch lesen, was sich vor einer Woche abgespielt hat. Aber ich musste zwischendurch auch mal wieder Geld verdienen. Deswegen reichlich spät hier noch ein paar Eindrücke von mir. Im übrigen ist die re:publica 12 für mich weniger Vergangenheit als viel mehr Zukunft. Sie wird mein Leben und Arbeiten prägen. Deswegen will ich einfach mal festhalten, was mir so durch den Kopf geht – immer noch. Eine Woche danach.

Katie Jacobs Stanton ist bei Twitter „VP of International for Twitter“. Im Profil sieht sie ein wenig aus wie der blaue Vogel.

Zugegeben, ein blöder Gag. Aber sie wird es verkraften. Katie Stantons Bühnenpräsenz ist überwältigend. Auch wenn Deutschland nicht der Nabel der Welt ist, sie weiß: Das hier ist ein wichtiges Auditorium. Kate Jacobs Stanton hat einen Auftritt hingelegt, wie es womöglich nur Amerikaner_innen können. Als sie dann plötzlich – im Kontext von Kooperation von TV und Twitter dieses eine Wort in den Mund nahm: „Tatort“, da war sie eine von uns.

Tweets - ausgedruckt und aufgeklebt

Dann kam der @RegSprecher. Thema: „Social Media Nutzung der Bundesregierung – Ein Interview mit dem @RegSprecher.

Dass Steffen Seibert charmant ist, ist bekannt. Aber wie er es schafft, ein womöglich überwiegend regierungskritisches Publikum für sich einzunehmen, und zwar ohne Demagogie, sondern mit demokratischer Eleganz, Bescheidenheit und Offenheit – das am eigenen Leib erlebt zu haben, werde ich nicht so schnell vergessen. Und werde es noch mal anschauen im Podcast. Wie auch Katie Stanton.

Nicht alles auf der re:publica ist Promi. Ganz im Gegenteil. Und doch sind die Lobos allgegenwärtig und haben das Talent, Trends zu setzen. Ich spüre: Sascha Lobos Plädoyer für mehr Blogs wird was bewirken:

„Ich werde jetzt mal ein bisschen pathetisch, denn nur ein Blog gehört wirklich Dir. Alles andere ist nur geborgt. Ich möchte, dass wir zusammen eine Renaissance des Blogs veranstalten, eine Renaissance der selbst verwalteten Homepage.“

Am nächsten Tag traf ich den famosen Eric Sturm, der vor allem Architekten in Netz-Fragen berät. Wir haben circa 15 Minuten debattiert: Wann gehört ein Blog wirklich mir? Was muss ich tun? Da gibt es so viel zu lernen. Für mich zumindest. Gut, dass es eine solche Konferenz gibt und solcherlei Input. Eine Woche danach basteln übrigens viele in meinem Umfeld an neuen Blogs. Etwa fanfar oder tondatei, die leider nicht in Berlin waren und sich das womöglich schon länger vornahmen und überhaupt nicht von Lobo beeinflusst sind. Aber egal.

Der Zasterlaster

Für die, die nicht bei der re:publica waren. Es gibt eine gewisse Dominanz von Apple-Produkten. Ich schätze 90 %. Als der Zasterlaster mal ausfiel, twitterte jemand, die Berliner Volksbank arbeite sicher mit Windows-Betriebssystemen. Und was social media betrifft: Alle sind nonstop auf Twitter, niemand auf Facebook.

Insgesamt sind 4.000 Menschen nach Berlin gekommen zur re:publica. Eine Art Klassen- oder Familientreffen der Netzmenschen. Blogger, Netzpolitiker, Medienmenschen. In diesem Jahr war dieses Klassentreffen allerdings so groß und wichtig wie nie zuvor. Denn die Themen, die hier behandelt wurden, sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Internetfreiheit, Urheberrecht, Teilen im sozialen Netz. 350 Sprecher, 200 Stunden Programm – das ist eine Menge Holz. Am Ende hatte ich rund 20 Veranstaltungen auf dem Buckel. Nicht alle habe ich bis zum Ende erlebt, aber immerhin.

Das Foto zeigt im übrigen nicht das Programm, wie die Berliner Zeitung vermutete, was @uvmann enthüllt hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

Jetzt mal zu einem kleinen Panel: „Der gläserne Künstler“ 

Das wurde von Supershirt und ihrem Label Audiolith so angekündigt: „Wir wollen nicht schon wieder eine Debatte aus Sicht einer uns unbekannten Musik- oder Kreativwirtschaft anzetteln, sondern die drängenden Fragen von ganz unten beleuchten: Aus der Perspektive des Künstlers.
Vom Künstler ausgehend verfolgen wir Zeit- und Zahlungsströme zurück zu den Strukturen des Musikgeschäfts, zur GEMA, Mutti, Versicherungen, dem Arbeitsamt und anderen zwielichtigen Anstalten. Wir dröseln diese von hinten auf, bis ein klares Datenprofil entsteht, das mehr wert ist als die $40 seiner Existenz bei Facebook.“

Supershirt ist eine Band, die das ganze Jahr auf Tour ist. Sie haben sozusagen die Hose runter gelassen: „Der gläserne Künstler“ hat sich im vergangenen Jahr immerhin einen Urlaub geleistet, den allerdings die Schwiegereltern bezahlt haben. Und die sind mitgereist.

Die GEMA ist der „Weihnachtsmann des Künstlers“. Wenn er in freudiger Erwartung ist und hofft, bald kommt der Weihnachtsmann, dann gerät er immer ins Minus auf seinem Konto. Denn er hofft: Alsbald kommt Geld von der GEMA. Da wird er größenwahnsinnig.

Die Band hat jedem im vergangenen Jahr 8.500 € ausgezahlt.
Die GEMA brachte: 4.382 €, der Nebenjob: 2.300€
Die Einnahmen des Jahres: 17.000 €.

Die Einnahmen der Band insgesamt: 54.590 €. Die Ausgaben: 28946

Supershirt war 100 Tage unterwegs für 74 Konzerte.

Die Kosten der Band: 28.946 €, die sich ungefähr so aufsplitten lassen:

Sprit: 4.400
Bookingprovision: 6.200
Auto: 4.100
Techniker: 3.900

Die Band ist auf steilem Weg nach oben, sagt Artur Schock vom Label Audiolith. Sie haben 1.500 Platten von Supershirt verkauft sowie 6.000 mp3-downloads. Nonchalant sagt er: „Man verdient nicht unbedingt mit den Tonträgern.“

Warum macht Ihr das, wenn Ihr so wenig verdient?, fragt ein Mann – ungefähr so alt und wahrscheinlich Journalist wie ich. Da antwortet der „gläserne Künstler“: „Wir verdienen nicht wenig.  Wir können leben von dem, was uns Spass macht. Wir haben vorher von Stütze gelebt.“ Und dann der Satz, der zu meinem re:publica-Lieblingssatz wurde. Von Hendrik Menzl: „Wir müssen nicht in der Mine html abbauen.“ Um dann noch einen drauf zu setzen: „Ich war lange Hartz IV Empämger mit 8.000 € im Jahr. Jetzt sind es 17.000 – wir jammern nicht.“

Vor genau einer Woche zu Ende: die re:publica 12. Es wurde gefeiert.

Es war schön auf dem Kommunikatonsweg.

Dieser Beitrag wurde unter (Pop)Kultur, Medien abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar